Das "orientalische Klavier" zeichnet sich dadurch aus, dass es Vierteltöne erzeugen und damit neben westlichen auch orientalische Meldien spielen kann. Den entsprechenden Mechanismus via Pedal hat Abdallah Kamanja in den 50er Jahren in Beirut ausgetüftelt. Er ist der Urgroßvater der Erzählerin in dem Comic Piano Oriental.
Darin verknüpft die libanesisch-französische Autorin und Zeichnerin Zeina Abirached Abdallahs Geschichte mit der ihrer Ich-Erzählerin, die - wie sie selbst - als junge Frau von Beirut nach Paris zieht. Und während Abdallah ein zweisprachiges Piano geschaffen hat, wechselt die junge Frau zwischen der arabischen und der französischen Sprache und Kultur, zwischen ihrer Geburtsstadt Beirut und ihrer neuen Heimat Paris. Diese Beziehungen und Verstrickungen macht Abirached durch ihre schwarz-weißen, häufig zu Ornamenten stilisierten Zeichnungen sichtbar. Für den Mix zweier Sprachen und Kulturen findet sie Bilder wie ein Gewebe aus "französischen" und "arabischen"« Maschen oder einen Haufen aus zwei Sorten Mikadostäbchen, die es behutsam zu sortieren gilt. Und dann sind da noch die Soundwörter, die die Seiten rhythmisieren, wie ein leiser Takt: Das "tschi tschi tschi" des Kanarienvogels Ludwig etwa, ein vergnügtes "pa pappa pappaaa" oder Abdallahs neue, knarzende Schuhe, deren "scrouitchi" in zackigen Blasen das Panelgefüge einer Doppelseite umrahmen.
Zeina Abirached hat ihre Comics (zum Beispiel Das Spiel der Schwalben) bisher stets in Schwarz-Weiß gehalten, was den Reichtum an zugleich strengen und verspielten Mustern, die ihre Zeichnungen bilden, zur Geltung bringt. Zudem passt das Spiel mit Kontrasten in diesem Buch perfekt: von den Tasten auf dem Klavier bis zu den mal schwarzen mal weißen Hintergründen der Zeichnungen. Eine schöne Comic-Hommage an die Zweisprachigkeit. [BB]
Zeina Abirached: Piano Oriental, ÜS Annika Wisniewski, Avant Verlag, 212 S., 29,95 EUR.
Foto: © Avant Verlag/Zeina Abirached
Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 10/2016