Gesund sieht sie nicht aus, diese dünne nackte Gestalt mit tiefen Schatten unter den Augen: eingerollt exakt in ein quadratisches Kästchen eingepasst, als kauere sie in einer Kiste und versuche den Deckel aufzustoßen. Oder auch nicht, vielleicht dient das Panel ja als Panikraum.
Es findet sich am Ende des Bandes Paniktotem, in dem die Düsseldorfer Illustratorin Nadine Redlich Comicstrips und Einzelbilder rund um Ängste, Ticks und Emotionen versammelt. Schon der Einband schrillt: Vor alarmierendem Gelb hockt ein in vibrierendem Strich gezeichnetes Wesen mit irrem Blick und Ananas auf dem Kopf. Innen gibt es klare Farben, dazu wenige Worte, und die auf Englisch. Leicht irre kichernde grüne Erbsen in ihrer Schote, rote Kirschen im Paarkoller oder eine halb hinter dem Tresen hervor leuchtende Sonne mit angeödetem Blick, Zigarette und Bier gehören zum Repertoire, außerdem ein affenähnliches Wesen mit roten Flecken und riesiger roter Nase auf einem Baumstumpf, das brüllend seine Fangzähne fletscht: "I said I‘m fine!"
In den Strips spielt Redlich meistens mit der grafischen Darstellung verrinnender Zeit. Sie reiht mehrere Panels gleichen Inhalts aneinander, in denen zum Beispiel nur dann und wann ein paar Mausklicks die Stille stören. Oder in fünf von sechs Kästchen liegt ein grauer Stein mit geradem Strich als Mund und Knopfaugen, um im letzten den Mund zur Pointe zu öffnen: "I feel everything." Auf die komische Spitze treibt Redlich dieses Spiel mit einem Strip, in dem ein Hund auf eine digitale Wanduhr schaut, deren Zeitanzeige pro Panel um eine Minute weiterspringt. Weiter passiert nichts, aber der Hund gerät beim Betrachten ganz aus dem Häuschen: "Oh, wow!«… »It‘s a time machine!" Paniktotem ist seltsam, komisch und durchaus auch philosophisch. [BB]
Nadine Redlich: Paniktotem, Rotopol, 96 S., 16 EUR.
Abb.: © Nadine Redlich
Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 02/2017