Manu Larcenets jüngster Comic Brodecks Bericht spielt in einem abgelegenen Alpendorf, mutmaßlich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Besucher ist man hier nicht gewöhnt, schon gar nicht solch exzentrische wie den Künstler mit wallenden Gewändern und Bändern am Hut, der angeritten kommt und kurzerhand ein Zimmer im Gasthof bezieht. Der "Andere", so nennt ihn die Dorfgemeinschaft, zeichnet still Landschaften und Porträts und lässt sich vom Misstrauen und der Feindseligkeit der Dörfler nicht zur Abreise bewegen. Das wird ihm zum Verhängnis.
Als Brodeck, selbst ein Außenseiter, eines Abends in den Gasthof kommt, haben die Männer des Dorfes den "Anderen" gerade gemeinschaftlich ermordet. Der entsetzte Brodeck soll einen Bericht darüber schreiben, der die Tat rechtfertigt. Notgedrungen gehorcht er, verfasst aber im Geheimen daneben seine eigene Version.
Eine finstere Geschichte, erzählt in starken Bildern. Tiefschwarze, hier und da mit Bürsten zerkratzte Tusche kontrastiert mit weißen Flächen und Flocken und schafft ein archaisches Setting: karge Winterberglandschaften, dunkler Nadelwald, die engen Stuben der Dorfbewohner mit ihren zerfurchten Gesichtern und zerzausten Bärten. Nahaufnahmen von Stacheldraht leiten Rückblenden auf Brodecks Zeit im Gefangenenlager ein; ohne dass explizit wird, um welchen Krieg es sich handelt, legen Symbolsprache und die Gestaltung der Soldaten als undefinierbare Monster den der Nationalsozialisten nahe.
Larcenet hat mit Brodecks Bericht einen Roman seines Landsmanns Philippe Claudel adaptiert; er nimmt sich die nötigen Freiheiten und das Ergebnis ist erfreulich wenig textlastig. Die Panels sind streng neben- und untereinander angeordnet und wirken fast wie einzelne Gemälde und Naturstudien. Das mag die Erzählung etwas statisch machen, dem ästhetischen Genuss tut es keinen Abbruch.
Manu Larcenet: Brodecks Bericht. Nach einem Roman von Philippe Claudel, ÜS: Ulrich Pröfrock, 328 S., Reprodukt, 39 EUR.
© Abbildung aus "Brodecks Bericht" von Manu Larcenet, Reprodukt
Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 12/2017