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Comic aus zwei Bildern, die sich um den Gegensatz zwischen gemütlichem und ungemütlichem Lesen drehen
28.02.2023

Von Buchendschmerz und Stapelschuldgefühl

Nach Kochen mit Kafka und Abteilung für irre Theorien ist mit Die Rache der Bücher jetzt eine weitere Sammlung Comic-Strips des in London lebenden Schotten Tom Gauld erschienen. Während die tollen irren Theorien zuvor im Wissenschaftsmagazin New Scientist zu lesen waren, stammen die aktuell versammelten Strips wieder aus dem Guardian, für den Gauld seit vielen Jahren den Literaturbetrieb im weitesten Sinne aufs Korn nimmt.

Im Original heißt das Buch Revenge of the Libriarians. Er habe gar nichts gegen "german librarians", versicherte Tom Gauld bei Erscheinen der deutschen Ausgabe auf seinen Social Media-Kanälen. Aber im Deutschen gibt es das Problem mit dem Gendern, anders als im Englischen. Aus Blibliothekarinnen wurden also Bücher - auch eine Lösung.

Bei Gaulds neuer Comic-Sammlung nun mag sich das eine oder andere Gefühl von "déja-lu" einstellen bei Leuten, die Kochen mit Kafka kennen. Motive wie das Labyrinth-Spiel, alternative Titel für Werke der Weltliteratur oder deren Prequels sind wiederkehrend. Aber geschenkt, es ist eben trotzdem sehr lustig.

Und der eine oder andere Hinweis auf die Entstehungszeit findet sich ebenfalls, zum Beispiel in dem Ein-Bild-Cartoon, in dem ein Käfer mit Smartphone in einer Pfote vor einem Laptop sitzt: "Als Gregor Samsa eines Morgens erwachte, fand er sich in ein riesiges Ungeziefer verwandelt. Aber infolge des Lockdowns lebte er einfach wie gehabt weiter." Oder der Strip über die orangefarbene Buchladenkatze, die die verschiedenen Stadien der Pandemie Panel für Panel zwischen und auf Bücherstapeln in verschiedenen Etagen eines Regals verschläft.

Gaulds Comics funktionieren wunderbar mit den mal piktogrammartig reduzierten oder an der Ligne Claire orientierten, mal mit peniblen Schraffuren versehenen Zeichnungen. Seine Figuren brauchen in der Regel keine Münder und haben lediglich Punkte als Augen, wenn überhaupt. Gauld arbeitet mit trockenem, auch boshaftem Humor – lässt aber auch viel Sympathie für die Verschrobenheiten und Handicaps Buchsüchtiger erkennen: Etwa bei der Illustration "nützlicher Begriffe für Leser*innen" wie "Buchendschmerz" oder dem – auch Comicleser*innen sicherlich nicht unbekannten – "Stapelschuldgefühl".

Tom Gauld: Die Rache der Bücher, ÜS: Christoph Schuler, 160 S., Edition Moderne, 22 EUR.

Abbildung aus Die Rache der Bücher von Tom Gauld, © 2022 Tom Gauld
Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 03/2023