Strannik heißt Anna Rakhmankos und Mikkel Sommers dokumentarischer Comic über einen obdachlosen russischen Mixed-Martial-Arts-Kämpfer namens Vyacheslav. Das russische Wort bedeutet so viel wie Pilger oder Wanderer. Tatsächlich reist der Porträtierte viel herum zu seinen Kämpfen. Aber auch im übertragenen Sinne ist er unterwegs, getrieben von der Hoffnung, mit seinem Leben noch etwas anderes anfangen zu können.
Die Journalistin Rakhmanko hat Vyacheslav alias Ali Baba einige Tage lang begleitet, Gespräche aufgezeichnet und Fotos gemacht. Eine Fülle an Material muss dabei zustande gekommen sein - umso erstaunlicher und erfreulicher ist die Verdichtung auf 48 Comicseiten mit knappem, in Schreibmaschinenlettern gesetzten Text in der Ich-Form und Mikkel Sommers skizzenhaften, schraffierten Zeichnungen.
Text und Bilder erzählen auf zwei Ebenen: Einerseits Vyacheslavs zu Protokoll gegebene Begebenheiten aus seinem Leben voller widriger Umständen; Sommers Zeichnungen andererseits schildern ein Stück Reise, auf der Rakhmanko den Strannik durch Russland begleitet hat. Sie zeigen den bärtigen Mann, wie er mit Tasche über der Schulter eine Straße entlang geht, in einem Hausflur schläft, Zug fährt, wie er barfuß in Shorts und Kampfhandschuhen im Käfig boxt und mit einem Gegner im Clinch verschraubt ist.
Das funktioniert gut, weil subtile Verbindungen zwischen beiden Ebenen geschaffen werden, ganz ohne Redundanzen. Und es passt in seiner Zweigleisigkeit zu dem Kontrast, den dieses schöne Porträt beschreibt: zwischen der offenbar eher sanften Person Vyacheslav und dem martialischen Profi-Sport, den er betreibt. Wer Vyacheslav übrigens interessehalber im Internet sucht, erkennt ihn in Sommers Zeichnungen wieder, trotz des Stils, der vieles vage lässt, vor allem die blutigen MMA-Kämpfe. [B.B.]
Anna Rakhmanko/Mikkel Sommer: Strannik, Rotopol, 48 S., 14 EUR.
Abbildung aus Strannik von Anna Rakhmanko und Mikkel Sommer, © Anna Rakhmanko & Mikkel Sommer, Rotopol
Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 05/2019