Es gibt ein Wiedersehen mit den diversen Geschöpfen, die die französische Comiczeichnerin Anne Simon in dem phantastischen Land Marylène angesiedelt hat: Sie tragen Schnäbel, Echsenköpfe oder Fischschuppen, es gibt Wassermänner, walzernde Pferde und eine Armee aus langbeinigen Fritten-Frauen. Im vierten Band aus Simons Reihe "Erzählungen aus Marylène" stehen die ungleichen Halbschwestern Gousse & Gigot im Mittelpunkt.
Ihre Vorgeschichte als Töchter des Tyrannen von Krantz, der dringend einen Thronfolger wünschte und die unliebsamen Mädchen in eine Schlangenhöhle werfen ließ, schildert Anne Simon in schwarzweißen, fein gestrichelten und schraffierten Zeichnungen, in der die Härte und Grausamkeit der Schreckensherrschaft gut zur Geltung kommen. In der graublau-grün und in warmen Rost- und Ockertönen kolorierten Gegenwart emanzipieren sich die große, schlanke Gousse mit dem schlangenartigen Haar und die rundliche kleine Gigot mit einer Vorliebe für Krapfen, nach und nach. Sie sagen sich von ihrem anfänglichen Retter und Versorger Claude mit dem Reptilkopf los, der sich besitzergreifend allzu sehr zwischen die Schwestern drängte.
Auf sich allein gestellt, geraten die beiden an die fetttriefenden Abgründe des Kartoffelimperiums von König Boris (siehe Boris, das Kartoffelkind), leben sich auseinander und finden notgedrungen wieder zusammen. Anne Simon nimmt auch in dieser Fortsetzung ihres Marylène-Epos wieder verschiedene Fäden aus den vorigen Bänden auf und entwickelt die Erzählung immer weiter. Wenn Gousse und Gigot also Marylène schließlich den Rücken kehren und zu neuen Ufern aufbrechen, dann macht das doch sehr neugierig auf weitere Fortsetzungen dieser feministischen Erzählung mit spitzer Zunge, dynamischem Strich und coolem Humor.
Anne Simon: Gousse & Gigot, aus dem Französischen von Irène Bluche, Rotopol, 164 S., 20 EUR
Abbildung aus Gousse & Gigot von Anne Simon © 2024 Rotopol
Dieser Text ist erschienen im Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 11/2024