Der Blick in die Privatsphäre beginnt schon auf dem Titelbild. Da hat Comiczeichnerin Christiane Haas den gelben Duschvorhang ein Stück offen stehen gelassen und gestattet den recht persönlichen Blick auf eine mit kräftigem schwarzen Strich gezeichnete weibliche Figur unter der Brause.
In ihrem Comic Im ewigen Kreis versammelt die Leipziger Künstlerin Szenen und Dialoge, die sie offenbar selbst erlebt hat. Und die wirken in der Tat so nah dran oder absurd, dass sie vermutlich gar nicht ausgedacht sein können. (Eine Leseprobe gibt es hier auf der Seite des Verlags.)
Zum Beispiel: Zwei junge Frauen finden einen Vogel auf dem Gehweg: "Oh Gott! Der kleine Vogel kann sich nicht mehr bewegen und zittert voll...", sagt die eine und fügt im nächsten Panel, sorgenvoll Richtung Boden gebeugt, hinzu: "Oh nein, der Arme!! Der quält sich doch voll!!" Das Comic-Alter Ego von Christiane Haas mit dunklen Haaren und Brille blickt ebenfalls auf das zitternde Etwas am Boden (winzige Speedlines!) und sagt fachkundig: "Wir müssen den zertreten..." Nach einigem Hin und Her wird das Vögelchen behutsam in eine Rabatte gelegt - und fliegt prompt davon.
Auf einer anderen Seite spaziert die Erzählerin fröhlich ausschreitend mit ihrem Baby auf dem Rücken einen Gehweg entlang - da hält mit quietschenden Reifen ein Auto neben ihr, aus dem ein dicker Mann in Karohemd, mit Glatze, Segelohren und gezücktem Handy springt und in riesigen Buchstaben verlangt, er wolle ein Foto von dem Baby in der Trage machen, um zu beweisen, dass es tiefer sitzen müsse...
In vielen der cartoonig, eigenwillig-strubbelig gezeichneten Episoden geht es um den Alltag der Hauptfigur als junge Mutter: Verunsicherung, wenn Leute auf der Straße in den Kinderwagen starren, als stimmte etwas nicht. Irritation, wenn fremde Männer ungefragt gute Ratschläge erteilen.
Keineswegs aber fokussiert Im ewigen Kreis auf Geschichten aus dem Mütter-Universum, sondern es geht um alle möglichen Alltagsdinge, wie etwa das Daddeln am Smartphone: "Ich lass mein Handy jetzt immer im Flur liegen, um mein Nutzungsverhalten zu regulieren", sagt die Comicfrau und schaut listig aus dem Panel. Fünf Bilder später hat sie es sich mit zwei Kissen auf der Kommode im Flur bequem gemacht...
Christiane Haas’ Comicband ist ein Sammelsurium sehr schön beobachteter, oft skurriler und mit dem passenden, schrummeligen Strich festgehaltener Alltagsminiaturen aus Gegenwart und Jugend der Erzählerin.
Christiane Haas: Im ewigen Kreis, 144 S., Avant-Verlag, 18 EUR.
Abbildung aus Im ewigen Kreis von Christiane Haas © Christiane Haas & Avant-Verlag GmbH 2023
Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 05/2023