Die Raumstation "Grand Central" ist samt einem dreiköpfigen Forschungsteam vom Radar verschollen. Ein Team aus zwei Menschen und zwei Androiden soll sie aufzuspüren. "Grand Central" sollte die biologische Evolution eines Planeten erforschen, auf dem zunächst die Urbevölkerung vernichtet und dann eine neue Umwelt geschaffen wurde. Das wissenschaftliche Experiment geriet außer Kontrolle: Auf dem Planeten breitet sich unaufhaltsam ein Bewuchs aus geometrischen Formen aus, die wie Pilze an den Bäumen wachsen, wie Tafeln aus Felsen ragen und wie kristalline Strukturen an Pflanzen wuchern. Die Forschenden haben auf dem Planeten außerdem mit unerklärlichen magnetischen Stürmen und Raum-Zeit-Verschiebungen zu kämpfen.
Der Franzose Jérémy Perrodeau hat mit Dämmerung einen Science Fiction-Comic mit ökologischem Bezug geschaffen. In seinen Zeichnungen abstrahiert Perrodeau, seine Figuren haben weder Augen noch Münder, doch geradezu akribisch sind die von geometrischen oder kristallinen Strukturen bizarren Landschaften wiedergegeben, durch die sie sich bewegen. Perrodeau verlässt sich streckenweise komplett auf seine Bildsprache, und das funktioniert bestens.
Der Comic wirkt vor allem grafisch sehr durchdacht. Das beginnt schon bei der Seitenaufteilung: Neben kleinteiligen Kästchen gibt es Einzelpanels, die sowohl linear Szenen erzählen als auch zusammen ein Gesamtbild ergeben, oder Splashpanels, die die Weite der Landschaft oder des Universums zeigen. Die Kolorierung der Geschichte funktioniert außerdem wie ein "Farbleitsystem": Die Vorgeschichte des zu erforschenden Planeten hat die Grundfarbe Gelb, die eigentliche Mission ist rostrot gefärbt, und am Ende dominiert ein helles Eisblau.
Anhand der Kolorierung erschließen sich im Lauf der Lektüre auch die Erzählstruktur und damit die Zusammenhänge der Geschichte. Am Ende schließt sich der Kreis - doch aus ihm bricht eine Art Epilog mit eisblauem Hoffnungsschimmer aus.
Jérémy Perrodeau: Dämmerung, ÜS: Christoph Schuler, Edition Moderne, 144 S., 32 EUR
Abbildung aus "Dämmerung", © 2020 Verlag bbb Edition Moderne AG
Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 05/2020