Das Ende der Welt liegt im Westen der Bretagne, jedenfalls, wenn man den Namen des französischen Departements Finistère wörtlich nimmt. Und wiederum am Ende des Weltendes trotzt der Leuchtturm Ar-Men der Brandung des Atlantiks.
Hierhin hat sich Germain verschanzt, auf der Flucht vor Geistern seiner Vergangenheit. Er ist die Hauptfigur in Emmanuel Lepages Comic Ar-Men, der im Überformat mit großer Bildgewalt beeindruckt: Über eine Doppelseite wogt zum Beispiel der Ozean in allen Schattierungen von Schaumweiß über Flaschengrün bis dunklem Petrol, darüber gleitet eine Möwe, und am Horizont dräut ein grau-schwarz verwaschener Himmel, vor dem sich der winzig wirkende weiße Leuchtturm abhebt.
Der bretonische Zeichner und Autor Emmanuel Lepage erzählt eine fiktive Geschichte, die auf Recherche vor Ort basiert. Er lässt den Leuchtturmwärter Germain und dessen Kollegen Louis in den 60er Jahren ihren einsamen und harten Dienst tun. Durch erzählerische Konstruktionen - die zuweilen etwas schwerfällig wirken - webt er bretonische Legenden oder die spektakuläre Baugeschichte des Leuchtturms ein.
Die verschiedenen Zeitebenen heben sich auch durch die Kolorierung voneinander ab: In vintageartigen Sepiatönen wird das Schicksal eines jungen Mannes geschildert, der half den Turm zu bauen, die Legende um die versunkene Stadt Ys leuchtet in helleren Farben, während Grün, Blau oder der bronzefarbene Schein der Petroliumlampen Germains Erzählzeit markieren.
Emmanuel Lepage: Ar-Men, ÜS Harald Sachse, Splitter-Verlag, 96 S., 10,00 EUR
© Abbildung aus "Ar-Men" von Emmanuel Lepage, Splitter-Verlag 2018
Dieser Text ist erschienen im Bonner Stadtmagazin Schnüss, Ausgabe 08/2018